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Schwere Hypertriglyzeridämie

Schwere Hypertriglyzeridämien liegen ab Triglycerid (TG)–Werten ab ca. 850mg/dl vor und haben  häufig genetische Mutationen als Ursache.

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Schwere Hypertriglyzeridämie

Schwere Hypertriglyceridämien liegen ab Triglycerid(TG)–Werten ab ca. 850mg/dl vor und haben  häufig genetische Mutationen als Ursache. Bei der Diagnostik sind grundsätzlich sekundäre Faktoren auszuschließen oder entsprechend zu behandeln, bevor eine weitere molekulargenetische Diagnostik durchgeführt wird. Klinisch bedeutsam sind die schweren Hypertriglyceridämien vor allem aufgrund des Risikos eine akute Pankreatitis zu entwickeln, die immer noch eine lebensgefährliche Komplikation darstellen kann.  Andere Symptome, die ebenfalls auftreten können und reversibel sind, sind z.B. eruptive Xanthome oder eine Hepatosplenomegalie. Grundlage der Therapie bilden eine lebenslange, strenge, fett- und kohlenhydrat-reduzierte Diät und Alkoholkarenz. Omega-3-Fettsäuren und Fibrate werden zur TG-Senkung eingesetzt. Neue gentherapeutische Ansätze stehen seit kurzem in Deutschland für bestimmte seltene Genmutationen zur Verfügung.

Was ist das Chylomikronämie-Syndrom?

Das Chylomikronämie-Syndrom ist durch eine schwere Hypertriglyzeridämie (Triglyzeride im Blut >16,95 mmol/L bzw. > 1500mg/dL // >10 mmol/L bzw. >885mg/dL) und klinische Symptome wie Bauchschmerzen, akute Entzündungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) und Hauterscheinungen (eruptive Xanthome) gekennzeichnet. 
Fette dienen im Körper unter anderem als wichtiger Energieträger, Baustein von Zellwänden und Bestandteil von Hormonen. Bei der Verdauung werden Fette in Form von sogenannten Triglyzeriden im Dünndarm aufgenommen und als Fettmoleküle, den Chylomikronen, transportiert. Bei der weiteren Verstoffwechselung dieser Fettmoleküle, werden die Triglyzeride durch ein Enzym, die Lipoproteinlipase (LPL), abgebaut. Kommt es zu einem unzureichenden Abbau oder einer mangelnden Speichermöglichkeit der Triglyzeride, steigt der Wert im Blut an.
 

Welche Ursachen hat die Erkrankung?

Es gibt zwei Hauptformen des Chylomikronämie-Syndroms: das deutlich häufigere multifaktorielle Chylomikronämie-Syndrom (MFCS) und das seltene familiäre Chylomikronämie-Syndrom (FCS).

Multifaktorielles Chylomikronämie-Syndrom (MCS)

Das multifaktorielle Chylomikronämie-Syndrom (MFCS) tritt bei etwa einer von 600 Personen auf. Hierbei besteht eine Veranlagung aus einer Ansammlung von geringfügigen genetischen Varianten die in Kombination mit Lebensstilfaktoren, Begleiterkrankungen oder Medikamenten zu einem Anstieg der Fettwerte führen kann. Nicht genetische, also sogenannte sekundäre Faktoren, die zu einer Erhöhung der Triglyzeride im Rahmen eines MFCS beitragen können, sind neben Alkoholkonsum und Fettleibigkeit ein nicht diagnostizierter oder ungenügend behandelter Diabetes mellitus wie auch die Einnahme von beispielsweise Östrogenen, Diuretika und β-Blocker. Es gibt jedoch viele andere Medikamente, die mit genetischen Formen der Hypertriglyzeridämie interagieren und zu MFCS führen können.

Familiäres Chylomikronämie-Syndrom (FCS)

Das familiäre Chylomikronämie-Syndrom (FCS) ist eine seltene genetische Erkrankung, die frühzeitig und bei etwa einem von einer Millionen Menschen auftritt. Sie ist durch einen Mangel oder eine Fehlfunktion des Enzyms Lipoproteinlipase (LPL) und einigen assoziierten Proteinen charakterisiert, weshalb der Abbau der triglyzeridreichen Lipoproteine eingeschränkt ist.

Unterscheidung MCS - FCS

FCS= Familiäres Chylomikronämie Syndrom; MCS=multifaktorielles Chylomikronämie Syndrom; sHTG=schwere Hypertriglyzeridämie; TG=Triglyzeride Moulin P et al. Atherosclerosis 2018;275:265–72

Klinische/genetische Merkmale

FCS monogenetische sHTG

MCS polygenetische sHTG

 

Manifestationsalter

Jüngere

Ältere

 

Häufigkeit

1:1.000.000

1:600

 

Genetische Belastung

höher

niedriger

 

Sekundäre Faktoren

Kein Einfluss (außer Schwangerschaft)

Größerer Einfluss

 

Akute Pankreatitis

Stark erhöhtes Risiko (360 x höher als bei normalen TG)

Leicht erhöhtes Risiko (ca. 50 x höher als bei normalen TG)

 

Körpergewicht

Meist normal- bis untergewichtige Patienten

Häufig übergewichtige Patienten mit metabolischem Syndrom

 

Effekt tratidioneller lipidsenkender Therapie

Unzureichend

Ansprechen auf Fibrattherapie

 

Welche Anzeichen deuten auf die Erkrankung hin und wie wird sie diagnostiziert?

Eine schwere Hyptriglyzeridämie kann wiederkehrende Bauchschmerzen verursachen und ist - nach Alkohol und Gallensteinen - der dritthäufigste Auslöser für eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis). Wiederkehrende Pankreatitiden können zu einem Funktionsverlust der Bauchspeicheldrüse und der Entwicklung von Verdauungsbeschwerden sowie eines Diabetes mellitus führen. Weitere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Fettablagerungen im Auge (Lipaemia retinalis) und in der Haut (eruptive Xanthome), Gelenkschmerzen sowie eine Vergrößerung der Leber und der Milz (Hepatosplenomegalie). Auch können kognitive Einschränkungen oder psychiatrische Störungen wie Angst und Depression auftreten. Zunächst erfolgen mehrere Triglyzeridbestimmungen im Blut. Bei der Blutabnahme kann sich ein sichtbarer milchig-fettreicher Absatz bilden. Diagnostiziert wird die Erkrankung dann durch eine genetische Untersuchung des Blutes.

FCS Score

Kriterien in nicht akuter Phase

Punkte

Drei konsekutive Nüchtern-TG > 885 mg/dL ( >10 mmol/L) a]

+5

Nüchtern TG-Wert > 1750 mg/dL (>20 mmol/L) mind. einmal

+1

Vorangegangene TG < 175 mg/dL ( <2 mmol/L)

-5

Keine sekundären Faktoren[b] (außer Schwangerschaft[c] und Ethinylestradiol)

+2

Pankreatitis in der Eigenanamnese

+1

Nicht erklärbare, rezidivierende Abdominalschmerzen

+1

Kein Hinweis auf familiäre kombinierte Hyperlipidämie

+1

Keine Ansprechen (TG verringert <20%) auf lipidsenkende Therapie

+1

Beginn der Symptomatik im Alter < 40 J. / < 20 J. / < 10 J.

+1 / +2 / +3

FCS Score - Auswertung

FCS Score = Summe der Punktwerte;

≥ 10:    FCS sehr wahrscheinlich

≤ 9:      FCS unwahrscheinlich

≤ 8:      FCS sehr unwahrscheinlich

 

 a]  Plasma TG – Werte gemessen mindestens im Abstand von 1 Monat, eruptive Xanthome können als Surrogat für sehr hohe TG-Werte gesehen warden (selten); [b]Sekundäre Faktoren: Alkohol , schlecht eingestellter Diabetes, metabolisches Syndrom, Hypothyreose, Kortikosteroid-Therapie und weitere Medikamente.[c]wenn die Diagnose während der Schwangerschaft gestellt wird ist post partum eine Bestätigung der Diagnose notwendig.

FCS, Familiäres Hyperchylomikronämie Syndrom ; HTG, Hypertriglyzeridämie; TG, Triglyzerid-Konzentration;

Moulin P et al. Atherosclerosis 2018;275:265–72

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Ziel der Behandlung des Chylomikronämie-Syndroms ist, die Triglyzeride im Blut zu senken, um insbesondere das Auftreten von potenziell lebensbedrohlichen akuten Entzündungen der Bauchspeicheldrüse zu vermeiden. Grundsätzlich wird eine fett- und zuckerarme Ernährung empfohlen, ebenso wie der Verzicht auf Alkohol. Sportliche Aktivität kann die Triglyzeridspiegel positiv beeinflussen.

Therapie des MCS

Beim MCS ist es wichtig, identifizierbare Ursachen der sekundären Hypertriglyzeridämie zu erkennen und zu behandeln und gegebenenfalls Medikamente zu ersetzen. Zudem spricht diese Form der Hypetriglyzeridämie gut auf die Therapie mit Fibraten, Statinen und Omega-3-Fettsäuren an, wodurch das Risiko für das Auftreten von Pankreatitiden meist ausreichend gesenkt werden kann. Viele Patienten mit MCS haben mehrere Genmutationen, die neben einer Hypertriglyzeridämie auch andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Diabetes mellitus und Hypertonie verursachen, deren Behandlung ebenfalls eine bedeutende Rolle spielt.

Therapie des FCS

Aufgrund des gestörten Abbaus der Lipoproteine ist es hier besonders wichtig, deren Aufnahme durch die Nahrung zu begrenzen. Bei gesunden Personen soll die tägliche Energiezufuhr zu ca. 30% aus Fetten gedeckt werden. Patienten mit FCS wird eine Reduktion der Fette auf 10-15% und die Aufnahme von mittelkettigen Trigylzeriden (z.B. in Butter, Kokosfett) empfohlen, zugunsten einer gesteigerten Kalorienzufuhr aus Kohlenhydraten. Diese sollten jedoch als komplexe Kohlenhydrate und möglichst nicht als Zucker aufgenommen werden. Die fettsenkende medikamentöse Therapie mit Fibraten oder Statinen, wie sie sonst in der Behandlung erhöhter Triglyzeride eingesetzt wird, ist bei Patienten mit FCS nicht ausreichend wirksam. Zum Einsatz kommt hier Volanesorsen, ein sogenanntes Antisense-Oligonukleotid. Es vermindert die Bildung eines Proteins, des Apolipoprotein‑C‑III (ApoC-III), das den Abbau der Lipoproteine in der Zelle hemmt, wodurch die Triglyzeride im Blut um bis zu 77% gesenkt werden können. Das Medikament wird wöchentlich als Spritze verabreicht. Hierbei kann es als Nebenwirkung zu lokalen Hautreaktionen an der Einstichstelle kommen, aber auch zu einer Verminderung der Blutplättchen, die daher während der Therapie kontrolliert werden sollten.

Sekundäre Faktoren, die eine Hypertriglyzeridämie negativ beeinflussen können

Alkohol

Fett-/Zuckerreiche Ernährung

Übergewicht/Adipositas

Fettleber

Diabetes mellitus

Schilddrüsenunterfunktion

Nephrotisches Syndrom

Medikamente: Östrogene, Glukokortikoide, Beta-Blocker, Thiazide, Antiretrovirale Medikamente, Immunsuppressiva, Antipsychotika, Antdidepressiva, Retinoide